Was sich die Stadt unter einer Umleitung vorstellt
Die Brücke an der Hartmannstraße in Chemnitz wird gebaut. Über diese Brücke fährt normalerweise eine ordentliche Menge an Fahrzeugen. Um den Fahrzeugstrom weiterhin in und aus der Stadt zu bekommen, wurden die Bierbrücke (landwärts) und die kleine Fahrradbrücke (stadtwärts) als Umleitung ausgeschildert.
Nun führt auch ein offiziell ausgeschilderter (Fern-)Radweg über diese Brücke. Dafür ist nun kein Platz mehr. Also hat man in der Stadt erstmalig eine weiträumige Umleitung für den Radverkehr gebaut. Ein ehrenwerter Vorsatz, aber das Ergebnis ist bestenfalls mangelhaft.
Versuch 1: Richtung Norden
Zum Start befinden wir uns an der Brückenstraße. Unser Ziel ist der Schlossteich. Gleich zu Beginn werden wir auf eine etwas verworrene Wegsuche eingestimmt:


Also folgen wir dem Weg dann doch lieber mal nach links. Nachdem die Zschopauer Str. überquert wurde, sollen wir nach links fahren. Den kleinen Weg hinter der Dönerbude lang und dann nach rechts. Soweit eine angenehme Strecke.


Jetzt wird es zum ersten mal kompliziert. Laut Zwingpfeil geht es nach links. Geradeaus würde auch nicht viel Sinn ergeben: Die Straße ist derzeit wegen Abrissarbeiten gesperrt und danach sicherlich wieder Einbahnstraße.



Wir sind doch ein wenig mutig, steigen ab und schieben bis zum Ende der Baustelle auf dem Gehweg. *hust*
Wie dann das Schild an der Annaberger Str. zeigt, war die Intuition doch nicht so falsch. Wäre auch nicht wirklich sinnvoll, bis zur Gustav-Freytag-Straße zu fahren; der ersten Straße, die wieder zur Annaberger Str. führt.
Sobald man an der Bahnhofstr. angekommen ist, muss man schon wieder raten. Aber eine Überquerung selbiger zeigt auch hier, dass man richtig liegt. (Unschön ist hier die Ampelschaltung, die noch einmal zu einem länglichen Stopp auf der Mittelinsel zwingt.)




Den Falkeplatz zu queren ist einfach. Etwas voreilig vielleicht das zweite Schild an diesem Ort. Man soll natürlich nicht in die Chemnitz springen, sondern erst am Ende des weißen Geländer abbiegen. (Und auch hier ist die Ampel so geschaltet, dass man nicht in einem Zug die Straße quert, sondern zwei Zyklen braucht.)
Man kommt dann in einen kleinen ruhigen Park am Fuße des Kassberges. Der Park ist aber so ruhig, dass da im Winter auch kein Winterdienst ist. Das kann spannend werden.




Nachdem man unter der Kassbergauffahrt durch gefahren ist, mündet von rechts der Autoverkehr über die Bierbrücke ein. Wie man leicht sieht, ist da so viel Verkehr, dass man dem Radfahrer keinesfalls die Fabrikstraße entlang schicken möchte. Man zeigt ihm viel lieber ein wenig von der Stadt. Also geht es für Radfahrer nach links. Das blaue Schild mit dem Pfeil? Ach egal. Und dass man dann auf einen Gehweg kommt? Seltsam.




Wir fahren also durch den kleinen Park, der uns am Volksfestplatz vorbei führt (Bilder dann weiter unten) und kommen an der Hartmannstraße an. Da geht es erst einmal nach rechts. Auf den Gehweg. Wohlgemerkt ohne Freigabe. Dann noch schnell die Hartmannstraße queren, wobei die Mittelinsel nicht wirklich gut geeignet ist, die Fahrbahn einzusehen.






Wie es dann auf der anderen Seite weitergeht? Ein Schild sucht man vergebens. Für Ortsfremde sollte damit die Tour zu Ende sein. Am Ziel ist man noch lange nicht. Auf gut Glück bin ich dann nach der Litfaßsäule abgebogen. Ganz vereinsamt steht dann aber wirklich das letzte Schild im Park am Schlossteich. Nach weiteren 300-400 Metern ist man dann am Schlossteich angekommen. Ein Hinweis, wie man dann wieder auf den ausgeschilderten Radweg kommt, findet sich nirgendwo.

Versuch 2: Nach Süden
Nachdem wir eine schöne Runde durch die Stadt gedreht haben, versuchen wir doch mal die Gegenrichtung. Startpunkt ist der Schlossteich, Ziel die Augustusburger Straße. Auch hier gleich zu Beginn eine Herausforderung. Nur dieses mal umgekehrt. Erst das Schild, welches die Umleitung ausschildert und dann das ursprüngliche Schild. Wir fahren nach rechts.

Im Park ganz eindeutig und am Ende dann über die Hartmannstraße. Die ist vierspurig. Und hier gibt es keine Ampel und garnix. Schon ein wenig verwegen. Vielleicht hat man auch gedacht, dass man die Fußgängerinsel mit nutzt, wie auch die zwei kleinen Wegweiser vermuten lassen, aber dann wäre schon das erste Schild falsch.







Dann geht es auch in dieser Richtung über den Volksfestplatz. Während man in der Gegenrichtung noch ein paar schmale Betonsteine hatte, gibt es in diese Richtung nur Matsch. Wer weiss, wie das im Frühjahr dann hier aussieht.





Am Ende geht es nach rechts und man ist an der Chemnitz. Von da an geht es bis zum Falkeplatz.


Am Falkeplatz selbst wird man dann über die Zwickauer Straße geschickt. Das ist in sofern seltsam, da auf der anderen Seite nur ein freigegebener Gehweg existiert. Aufgrund der Freilegung der Chemnitz ist dieser auch nicht wirklich breit. Und zu allem Überfluss gibt es dann dort ein kleines Schild, welches uns gleich wieder umkehren ließe.



Als nächstes fahren wir die Annaberger Str. ein Stückchen, um danach in Richtung Moritzstraße geschickt zu werden. Nicht nur dass wir da auf der falschen Seite (nämlich links) ankommen. Nein - die Moritzstraße ist noch immer Teil einer Abrissorgie und damit komplett gesperrt.




Aus unserer Erfahrung von vorhin, tragen wir das Rad durch die Baustelle und kommen dann irgendwie kurz vor der Zschopauer Straße heraus. Dort kommen wir wieder am Imbiss vorbei und werden dann kurz vorm Ziel noch einmal in die Irre geführt. Aber so etwas lässt uns nicht verzagen. Noch 200 m und wir sind am Ziel.



Hat eigentlich jemand mitgerechnet? Also zum einen ist die Strecke zwischen Start und Ziel auf der Ursprungsstrecke gerade einmal 800 m lang. Die Umleitung sind fast 2.5 km. Doch es ist nicht nur die pure Entfernung, die unangenehm auffällt. Schikanierende Ampelschaltungen, schlechte Fahrbahnen und gefährliche Fahrbahnquerungen sind nicht unbedingt das, was man als radfreundlich bezeichnet. Zum anderen sind etliche Verstöße gegen die StVO eingebaut. Wer solche Wege ausschildert, muss sich doch nicht wundern, wenn der Radfahrer an anderer Stelle die Regeln ebenfalls in seinem Sinne überdehnt.
Alternative Richtung Norden
Eigentlich ist es ja nur die Hartmannbrücke, die komplett gesperrt ist. Also braucht es auch nur dafür eine Alternative.
Und scheinbar war man sich dessen auch in der Verwaltung bewusst, denn man hat überaus großzügig mit Umleitungsschildern um sich geworfen.




Schade ist eigentlich, dass man dann an der kleinen Fußgängerbrücke an der Hartmannhalle einfach so vorbei geschickt wird. Der Umweg würde so auf wenige Meter zusammenschrumpfen. Statt dessen geht es auf große Tour.



Auf der anderen Seite wäre auch genug Platz für Fahrräder.


Hinter der Markthalle soll man dann über die Bierbrücke. Aber dann nicht nach rechts, sondern wieder die lange Runde über den Volksfestplatz (und über den Gehweg!)


Alternative Richtung Süden
Auch in die Gegenrichtung muss das alles nicht so umständlich sein. Besonders dieser Schlammweg am Volksfestplatz ist für Leute, die mit dem Rad zur Arbeit wollen, sicher keine diskutable Route.
Leider sind die Ausschilderungen an der Hartmannstraße sehr irreführend. Ist man nämlich erst einmal dort, hat man kaum Durchgangsverkehr.



Ob man dann illegaler weise die Fußgängerbrücke nutzt oder gleich bis zum Falkeplatz durch fährt, ist sicher vom Ziel abhängig. Vorgesehen hat man es immerhin, auch wenn man vielleicht besser noch ein fünftes "Radfahrer frei" aufgehängt hätte.


Ganz cool
Lassen wir es mal drauf ankommen. Wir fahren ganz verwegen zur gesperrten Brücke. Man will ja sehen, was da so los ist, weswegen man Radfahrer quer durch die halbe Stadt schicken muss.
Nunja. Die Lösung ist pragmatisch und nicht wirklich schön, aber nicht schlimmer als die Umleitung. Allerdings fehlt ein kleines Stückchen. Jenseits der Schlossstraße bis zum Elfstöcker an der Promenadenstraße ist der Gehweg der Theunertstraße leider nicht freigegeben.


Und auch in Gegenrichtung hat man eine richtig clevere Lösung gefunden für die, die nicht im Fahrzeugverkehr mitschwimmen können.

Update nach genau einem halben Jahr
Fast auf den Tag genau sechs Monate gibt es nun schon die Baustelle an der Hartmannstraße. Und so wie es aussieht, bleibt das wohl auch noch ein paar Monate so. Es fällt auf, dass die Schilder nun nicht mehr provisorisch aufgestellt sind, sondern an irgendwelche sowieso schon vorhandenen Masten angebracht wurden. Darunter leidet mancherorts die ohnehin schon sehr schlechte Verständlichkeit.

Richtung Norden
Der Anfang ist noch immer so unklar wie zuvor. Durch die nicht mehr erkennbare Behelfsmäßigkeit der ausgeschilderten Umleitung, könnte man in Verbindung mit der gelben Tafel fast vermuten, es geht nach rechts. Falsch vermutet. An der Zschopauer Straße wird's auch nicht besser. Die Fahrbahn weiter, in den Döner-Imbiss oder doch eher halb links in Richtung Moritzstraße? Letzteres.


Normalerweise stehen ja Verkehrszeichen auf der rechten Seite. Aber man will nicht pingelig sein. Immerhin stehen sie. Aber nach wie vor ist weder der Zwangspfeil aufgehoben, noch wurde die Einbahnstraße freigegeben (und auch nicht der Gehweg hinter dem Moritzhof). Man geht aber noch immer davon aus, dass der Radfahrer auf wundersame Weise diese Stelle passiert, denn an der Annaberger Straße gibt man wieder hilfreiche Hinweise. Zumindest teilweise, denn das Schild auf der anderen Seite der Annaberger Straße ist verschwunden.




Dass man richtig ist, merkt man dann erst wieder jenseits der Bahnhofstraße. Da wird dann wohl mehr oder weniger das Offensichtliche dokumentiert. Leider wurde das Schild am Brückengeländer an der Chemnitz eingespart, in der Hoffnung dass der Radfahrer erkennt, dass diesmal die permanente Beschilderung Teil der Umleitung ist. (Im Gegensatz zum Anfang an der Brückenstraße.)



Weiter geht's im Reigen der lustigen OWis. Und wie zu erwarten, eine kleine Schlammeinlage. Sofern man merkt, dass man da rechts abbiegen muss.





Über die Hartmannstraße wurde es auch ein wenig interessanter. Wie gehabt auf den nicht freigegebenen Gehweg, und dann nach links. Allerdings diesmal deutlich vor der Fußgängerinsel. So schaut das aus, wenn man sich ausschließlich an bestehende Masten anhängt.


Sofern man dann in Richtung Schlossteich findet, hat man dann noch zwei weitere Schilder. Aber damit endet die Umleitung dann auch. Noch immer gibt es keinen Hinweis, dass man nun wieder auf der normalen Route ist.


Richtung Süden
Den Anfang der Südstrecke, die zumindest noch gepflegt wird, sucht man vergebens. In sofern ist der Rest der Strecke eigentlich bedeutungslos. Aber der Vollständigkeit wegen, kann man ja mal so tun als ob.

Die Hartmannstraße soll man noch immer in einem Zug queren - oder eben auch nicht.



Bis zum Falkeplatz ist es nun wie gehabt. Erst auf der anderen Seite der Zwickauer Straße kommt man sich etwas verschaukelt vor.


Wenn man sich da nicht verwirren lässt, dann kommt man bis zur Augustusburger Straße recht gut durch. Insbesondere an der Zschopauer Str. wurde die Beschilderung nun etwas klarer. Wenigstens etwas. Ein Hinweis, dass man es geschafft hat, wäre aber nicht schlecht.




Alternative nach Norden
Wie schon geschrieben, ist es ja nur die Hartmannbrücke, die fehlt. In der ganzen Aufregung um umfallende Häuser hat man wohl noch immer nicht so ganz Ordnung in die Umleitungsschilder bekommen.



Die kleine Fußgängerbrücke am Puppentheater ist leider noch immer nicht geöffnet, so dass man wieder um den Volksfestplatz muss.

Alternative nach Süden
Noch einmal zurück zum Schlossteich. Da ja nun die Wegweisung in Richtung Volksfestplatz verschollen ist, kann man ja mal einfach geradeaus fahren. Und in der Tat scheint man da was vorgesehen zu haben, wenngleich auch deutlich improvisiert.


Man darf sich nur nicht von den ganzen Sackgassenschildern und Sperrscheiben verwirren lassen. Auch Zwingpfeile sind doch nur was für Feiglinge. Am Ende wird alles gut.





Und da war doch noch was...
Genau. Der direkte Weg. Da fehlte noch der berühmte Lückenschluss im Provisorium. Und wie heißt es so schön im Beamtendeutsch? Dank des unermüdlichen Einsatzes eines couragierten Bürgers... ist der Gehweig nun freigegeben. Nun noch die ganzen Umleitungsschilder komplett gefällt und die Lösung ist durchaus annehmbar.

Zwischenstand
Noch immer schafft es die Stadt nicht, eine vernünftige Umleitung auszuschildern, die auch ortsfremde wirklich nachvollziehen können. Am Rande habe ich das Gezeter um die Freigabe des kleinen Stückchen Gehwegs an der Theunertstraße mitbekommen. Wenn der Proponent da nicht so hartnäckig gewesen wäre, wäre da nichts passiert. Es wurde versucht, ihn da mit irgendwelchen Paragraphen ("Wegbreite zu gering") und Sinnlosargumenten ("kein Winterdienst") abzuspeisen. Auf der anderen Seite werden die als "Argument" gebrachten Situationen in wesentlich verschärfter Form geboten, wenn man den Hinweisen der Stadt folgt. Ein echtes Armutszeugnis.
Nun kommt aber erst einmal der Sommer. Ich bin gespannt, wie es dann im Winter aussehen wird.
Fortsetzung folgt... (... nun keine mehr. Letzter Stand war 3.3.2016.)